
Große Menschen und ihr Leiden
Große Menschen und ihr Leiden – zwischen Körper und Kopf
Wenn man groß ist, bekommt man oft Komplimente: „Wow, was für eine Größe!“, „Bestimmt super praktisch beim Basketball!“ – und ja, groß zu sein hat definitiv Vorteile. Aber die wenigsten sehen die Schattenseiten, die das Leben mit einer überdurchschnittlichen Körpergröße mit sich bringt. Ich möchte in diesem Beitrag einmal sehr persönlich werden und von meinen eigenen Erfahrungen berichten – und gleichzeitig typische Herausforderungen aufzeigen, die viele große Menschen kennen.
Meine persönliche Erfahrung – der Pneumothorax
Ich selbst habe einen Pneumothorax erlitten – also einen spontanen Lungenkollaps. Das klingt erstmal dramatisch, und das war es auch in der Situation. Die Ärzte erklärten mir, dass dies bei großen, schlanken Menschen häufiger vorkommt, weil das schnelle Wachstum und die besondere Körperform eine Belastung für die Lunge sein können. Für mich war das damals ein Wendepunkt, denn es zeigte mir sehr deutlich: Mein Körper ist zwar stark und groß, aber auch verletzlich.
Typische gesundheitliche Probleme großer Menschen
1. Rücken- und Wirbelsäulenprobleme
Große Menschen leiden überdurchschnittlich häufig unter Rückenschmerzen, Bandscheibenproblemen oder Fehlhaltungen. Der Grund liegt nicht nur im langen Rücken, sondern auch in der Umwelt: Stühle, Schreibtische, Betten – fast alles ist auf Durchschnittsgrößen ausgelegt. Das führt dazu, dass wir uns oft krumm machen, um uns „anzupassen“. Die Folgen sind Verspannungen, chronische Schmerzen und langfristig sogar Haltungsschäden wie Skoliose oder ein Rundrücken.
Alltagstipp: Ein ergonomischer Arbeitsplatz mit höhenverstellbarem Tisch und Stuhl kann Wunder wirken. Auch Krafttraining zur Stabilisierung der Rückenmuskulatur ist für große Menschen besonders wichtig.
2. Herz-Kreislauf-Belastung
Je größer der Körper, desto mehr Arbeit muss das Herz leisten, um Blut durch den gesamten Organismus zu pumpen. Zwar gibt es Studien, die zeigen, dass große Menschen ein geringeres Risiko für bestimmte Herzkrankheiten haben, gleichzeitig aber steigt das Risiko für Krampfadern und venöse Durchblutungsstörungen. Lange Beine bedeuten längere Wege für das Blut zurück zum Herzen – und das belastet das Gefäßsystem.
Alltagstipp: Regelmäßige Bewegung, Kompressionsstrümpfe bei langen Reisen und das Vermeiden von stundenlangem Sitzen können hier vorbeugen.
3. Gelenkprobleme und Arthrose
Unsere Gelenke – insbesondere Knie und Hüfte – tragen ein höheres Gewicht über größere Hebelstrecken. Das führt dazu, dass Arthrose oder Meniskusschäden bei großen Menschen häufiger auftreten. Auch das Verletzungsrisiko beim Sport ist erhöht, da längere Knochen und Muskeln mehr Belastung aushalten müssen.
Alltagstipp: Schwimmen und Radfahren sind gelenkschonende Sportarten, die für große Menschen ideal sind.
4. Spontanpneumothorax (wie in meiner Geschichte)
Ein Spontanpneumothorax tritt typischerweise bei jungen, großen, schlanken Männern auf. Man geht davon aus, dass die Lungenbläschen im oberen Bereich durch den Wachstumsschub anfälliger werden und leichter reißen. Betroffene spüren plötzlich starke Schmerzen, Atemnot und müssen oft sofort ins Krankenhaus.
Alltagstipp: Leider lässt sich ein Pneumothorax nicht wirklich verhindern. Wer einmal betroffen war, sollte aber auf Warnsignale achten und frühzeitig ärztliche Hilfe holen.
Die unsichtbare Seite – die mentale Belastung
Neben den körperlichen Beschwerden gibt es etwas, worüber man noch seltener spricht: die mentale Belastung. Ich habe selbst erlebt, dass man als großer Mensch immer auffällt – egal ob man will oder nicht. Kinder die zu einem hochblicken und ihrer Mama sagen "guck mal, wie groß der ist", kennen wir alle. Schon in meiner Jugend war das Thema präsent: Ich war oft der Größte in der Klasse und auf dem Klassenfoto, konnte mich nicht „unsichtbar machen“ und wurde dadurch automatisch Zielobjekt für eine bestimmte Rolle oder Hänseleien wie "Lulatsch", "Langer", "Giraffe", "Bohnenstange" o. ä.
Das klingt vielleicht nicht schlimm, aber es hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Auch im Erwachsenenleben merke ich: Groß sein bedeutet nicht nur körperlich herauszustechen, sondern auch den Erwartungen anderer zu entsprechen. Manchmal wünschte ich mir, einfach mal nicht sofort aufzufallen.
Auch der Umgang mit gesundheitlichen Problemen ist mental belastend. Wer ständig Rückenschmerzen hat oder wie ich einen Pneumothorax erlebt, trägt auch die Sorge mit sich herum: „Kommt das wieder? Hält mein Körper durch?“ – Das nagt am Kopf.
Fazit – Größe hat zwei Seiten
Groß sein ist ein Geschenk, aber es bringt auch Herausforderungen mit sich – körperlich und mental. Meine eigene Geschichte hat mir gezeigt, dass man seinen Körper nicht als selbstverständlich hinnehmen darf. Und dass es wichtig ist, auch über die „Leiden der Großen“ zu sprechen. Denn nur wenn wir diese Themen offen ansprechen, können wir Wege finden, besser damit umzugehen – sei es durch medizinische Vorsorge, ergonomische Lösungen im Alltag oder auch durch den offenen Austausch über die psychische Seite mit anderen großen Menschen.